Vortrag Aika Diesch/Detlef Wilke: Keramik, Ton und Vulkanismus. Dieburger Keramik des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit interdisziplinär betrachtet

07.10.2022 um Uhr

Detlef Wilke (Wennigsen), Aika Katharina Diesch (Bamberg), Joachim Lorenz (Karlstein a. Main)

Keramik, Ton und Vulkanismus

Dieburger Keramik des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit interdisziplinär betrachtet

 

In Dieburg wurde bereits in römischer Zeit getöpfert (Gefäßkeramik, Transportamphoren). Nach einer kurzen Unterbrechung ist die Töpferei seit der ersten Hälfte des 14. Jhs. wieder nachgewiesen. Grundsätzlich ist eine Tätigkeit einzelner Töpfereien bereits seit der Stadtgründung im frühen 13. Jh. nicht unwahrscheinlich. Die spätmittelalterliche Töpferei zeichnet sich neben der allgemein üblichen Produktion von einfacher Gebrauchsware (Gefäßkeramik) durch hochwertige Ofenkeramik aus. Seit der Mitte des 14. Jhs. fertigte man im großen Stil bleiglasierte Halbzylinder- und Nischenkacheln des „Typs Tannenberg“. Hinzu kommt als Spezialität noch ebenfalls überregional vertriebene braunrot getauchte hart gebrannte Irdenware als gehobenes Schank- und Tafelgeschirr mit den Formtypen Pokal, Becher und Kanne.

Diese hochwertige Produktion wurde fast ausschließlich mit einem eisen- und flußmittelarmen, bis ca. 900 oC weiß brennenden Ton hergestellt. Letzterer weist eine Spurenelementanomalie auf, an der sich die Dieburger Herkunft auch in stark fragmentiertem Zustand identifizieren lässt. Dies ist von besonderer Bedeutung für potentiellen Produktionsorten haptisch-visuell keineswegs verwechslungsfrei zuzuordnenden Siedlungsabfall in der Region. Die Tonvorkommen lassen sich anhand dieser Spurenelementanomalie im nordwestlich gelegenen Dieburger Markwald am Fuß des Sprendlinger Horstes verorten.

Die Spurenelementanomalie wirft auch die Frage des passenden Liefergesteins dieses charakteristischen Verwitterungsproduktes auf. Der Sprendlinger Horst als Fortsetzung des nördlichen Odenwaldes ist geologisch ein Rotliegendrücken, der die Hanau-Seligenstädter Senke westlich zum Oberrheingraben abgrenzt. Bedingt durch die erdgeschichtlich lange tektonische Beanspruchung ließ sich auf dem Sprendlinger Horst intensiver Vulkanismus nachweisen. Nach langjährigen geologisch-vulkanologischen Forschungen zählt dazu auch das Weltnaturerbe Grube Messel in nur ca. 3 km westlicher Distanz zum Dieburger Tonvorkommen als ehemaliger Kratersee eines alttertiären Vulkans. Die Tufffüllung des Vulkanschlotes und die darüber in dem Kratersee über einen Zeitraum von bis zu 1 Mio. Jahre abgelagerten bitumenreichen Tonsedimente weisen wie einige nahegelegene Basaltvorkommen ebenfalls die von der durchschnittlichen Zusammensetzung der Erdkruste abweichende Spurenelementanomalie auf. Dies indiziert, dass der Dieburger Ton und die bituminösen Tonsedimente in der Grube Messel aus gemeinsamen bzw. sehr ähnlichen Ausgangsgesteinen, wenn auch unter unterschiedlichen Verwitterungs- und Sedimentationsbedingungen entstanden sein dürften.

Das überaus reiche Fundaufkommen an frühneuzeitlichem Werkstattabfall im Töpferviertel am Fuchsberg verspricht noch viele interessante Erkenntnisse zur Dieburger Keramikproduktion, und Zufallsfunde im hochmittelalterlichen Stadtzentrum umso mehr, da das wenige, bisher bekannt gewordene Fundmaterial leider verschollen ist.

 
Fragment einer spätmittelalterlichen Nischenkachel Typ Tannenberg aus Dieburg (Bild vergrößern)
Fragment einer spätmittelalterlichen Nischenkachel Typ Tannenberg aus Dieburg

 

Veranstaltungsort

Museum Schloss Fechenbach

Eulengasse 8
64807 Dieburg

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